19:30 Uhr
Der Georg-Elser-Biograph und Reutlinger Autor
Hellmut G. Hassis versteht diesen Abend als
»besonderen Beitrag zu einer Heimatkultur, die nicht
von oben weichgespültwird.« Das Schicksal seiner
Romanfigur Heisel Rein zeigt jedenfalls, dass Heimat
»trotz aller schönen Witze und Späße auch bitter und
gemein sein kann.«
Heisel Rein, der eigentlich Reinhold Häußler hieß,
lebte im dörflichen Betzingen, das damals noch nicht
zu Reutlingen gehörte. Wie der Hitler-Attentäter
Georg
Elser kam Heisel Rein aus einer verarmten Familie.
Ohne erlernten Beruf schlug er sich als eine Art
Aktionskünstler durch. Der Autor sieht ihn als
»Eulenspiegel mit europäischem Format.« In den 30er
Jahren des vorigen Jahrhunderts foppte Heisel Rein
die dörfliche, aber auch die staatliche und
militärische Obrigkeit mit allerlei Späßen ? in einer
Zeit, als Untertanengeist und Kadavergehorsam
gefragt waren. Wie so viele Beispiele des Widerstands einfacher Menschen gegen den
deutschen Faschismus drohten auch die Streiche und
Schwänke des Heisel Rein in Vergessenheit zu
geraten. Hellmut Haasis rekonstruierte sie durch
umfangreiche Quellenarbeit, aber auch mit Hilfe
einiger Zeitgenossen. Und zur Geschichte des
»Betzinger Spaßvogels« gehört auch das tragische
Ende, das im Roman kriminalistisch aufbereitet ist und
auch bei der Lesung in der entsprechenden Form
dargestellt wird: Inhaftierung, Psychiatrisierung und
der lange verschwiegene Euthanasie-Tod in
Grafeneck im Jahr 1940.
Die Lesung wird begleitet von dem in Tübingen
lebenden Andrej Mouline, einem der besten
russischen Bajan-Ziehharmonikaspieler. Mouline
spielt russische Kompositionen genauso mitreißend
wie argentinischen Tango von Astor Piazzola. Er war
nach der Ausbildung an der Musikhochschule bis Hellmut Haasis erhielt für seine Bücher den Thaddäus
Troll Preis, den Schubart Preis und den Civis-Preis
der ARD.
1989 Leiter des Moskauer Staatsensembles. Er spielt
auch in dem fetzigen Quartett Tango Complott.